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Architekturaufnahmen

Volkerschlachtdenkmal in Leipzig

Mit Hilfe der Rollfilmkassette lassen sich bereits auf Rollfilm sehr gute Ergebnisse erzielen, doch ist bei dieser Art von Aufnahmen der Vorteil größerer Formate (4 X 5″, 13 X 18 cm) unbestreitbar. Sachliche
Architekturfotografie setzt neben der technischen Ausrüstung Kenntnis der Architektur voraus. Sie gilt selbst unter Berufsfotografen als Spezialgebiet, zu dem hier nur einige Hinweise gegeben werden können.

Entscheidend für jede Architekturaufnahme sind Kamerastandpunkt und Licht. Den Kamerastandpunkt wählst Du natürlich so, daß das Gebäude in seiner Linienführung gut zur Geltung kommt. Dabei ist es empfehlenswert, so weit zurückzugehen, daß das Normalobjektiv verwendet werden kann. Ein Weitwinkel führt stets zu steilen Perspektiven, die bei sachlichen Architekturaufnahmen möglichst vermieden werden sollen. Das beste Licht für Architekturaufnahmen ist Sonnenlicht, das, durch einen dünnen Wolkenschleier gestreut, weich auf das Motiv fällt und keine tiefdunklen Schatten wirft. Sonnenlicht aus blauem Himmel ohne Wolken dagegen führt zu sehr harten Schatten, Streulicht unter bedecktem Himmel andererseits läßt weder die Gliederung des Gebäudes noch die Struktur des Materials zur Geltung kommen. Du kannst diese Mängel zwar durch entsprechende Belichtung und Entwicklung des Schwarzweißfilms oder durch digitale Bildbearbeitung in Grenzen ausgleichen (Kontrastausgleich), beim Farbfilm hast Du diese Möglichkeit nicht. Warten auf entsprechendes Licht ist die einzige Lösung. Neben der Qualität des Lichtes ist seine Einfallsrichtung von ausschlaggebender Bedeutung.

Gegenlicht ist für Architekturaufnahmen stets unbrauchbar, Frontallicht nur bei sehr stark gegliederten Gebäudefronten angebracht. Flach einfallendes Seitenlicht dagegen bringt alle Einzelheiten bis zur Struktur des Verputzes deutlich ins Bild. Die richtige Beleuchtung allerdings kannst Du nur abwarten, sie ist von der Tages- und der Jahreszeit abhängig. Verschiedene Ansichten ein und desselben Gebäudes müssen darum auch zu verschiedenen Tageszeiten gemacht werden. Manche Gebäude von historischer Bedeutung werden nachts von Scheinwerfern angestrahlt. Diese Beleuchtung ist zwar häufig sehr ungleichmäßig, doch lassen sich mit kontrastausgleichendem, schnellem Film und entsprechender Entwicklung gute Resultate erzielen, die Tageslichtaufnahmen desselben Gebäudes weit überlegen sind. Die Nachtaufnahme ist eben eine relativ selten angewandte Technik und dadurch oftmals wirkungsvoll. Zur eigentlichen Aufnahme wird die Kamera stets auf ein schweres Stativ gesetzt, das sich bis etwa Augenhöhe ausziehen läßt. Da Gebäude gewöhnlich stehend betrachtet werden, ist dieser Kamerawinkel für den natürlichen Eindruck des Bildes wichtig. Nunmehr richten Sie die Kamera horizontal und vertikal aus und stellen grob scharf. Vermutlich wird Ihnen die Mattscheibe zuviel Vordergrund zeigen, während der obere Teil des Gebäudes abgeschnitten ist. Das gleichst Du aus, indem Du das Objektiv nach oben verschiebst. Reicht die Verschiebemöglichkeit Deiner Kamera nicht aus, neige die Kamera nach oben und richte Rückteil und Objektivstandarte neuerlich vertikal aus. Die vertikale Perspektive ist damit gewahrt. Falls es Ihnen wünschenswert erscheint, kannst Du die Horizontalperspektive durch Verstellen des Rückteils beeinflussen, beispielsweise, indem Du das Rückteil horizontal entsprechend dem Verlauf der wichtigsten Mauer ausrichtest. Sollte Dir dabei das Motiv teilweise aus dem Bildformat „wandern“, gleiche es durch Seitenverschiebung der Objektivstandarte aus.

Nun stelle endgültig scharf. Dies geschieht bei weit offener Blende. Denke Dir die Zone, die Du scharf abbilden möchtest, in Drittel unterteilt, und stelle auf den Endpunkt des ersten Drittels scharf. Anschließend blende ab, bis das gesamte Gebäude scharf erscheint, und schließe dann die Blende um einen weiteren Wert! Bei einer sachlichen Architekturaufnahme ist schon die geringste Unschärfe ein unverzeihlicher Fehler. Die Belichtung ermittelst Du grundsätzlich mit Hilfe einer Graukarte. Die sehr unterschiedliche Reflexion von Bauwerken würde unweigerlich zu Fehleinschätzungen führen, wenn Du auf dieses Hilfsmittel verzichtetest. Was für Aufnahmematerial du verwendest, ist weitgehend formatabhängig: Je größer das Format, desto schnelleren Film kannst Du nehmen. Doch selbst bei Aufnahmen auf Digiback ist eine niedrige ISO gegeben.

DYNAMISCHE ARCHITEKTURAUFNAHMEN dagegen sind nie an derartige technische Exaktheit gebunden. Ihre Aufgabe ist es, einen gefühlsmäßigen Eindruckswert zu vermitteln. Sie werden mit der voll entfesselten DSLR und ihren extremen, den perspektivischen Eindruck übertreibenden Brennweiten gemacht — gewöhnlich mit Ultraweitwinkelobjektiven von nur 21 bis 28 mm Brennweite.

Cortijo de Cuarto, Sevilla

Da es bei dieser Art von Architekturaufnahmen nicht prinzipiell um das Gebäude, sondern um dessen subjektiven Eindruck auf den Betrachter geht, kannst Du in der Standpunktwahl völlig von Ihrem Gefühl leiten lassen. Willst Du die Wucht eines Turmes zum Ausdruck bringen, so ist es durchaus in Ordnung, wenn du steil daran hochfotografieren und ihn damit aus ‚jeder normalen Betrachterperspektive reißt. Lasse dich jedoch nicht von dem überraschenden Eindruck überrumpeln, den Ihnen Ihr Sucherbild vermittelt — das fertige Bild könnte später herb enttäuschen, der Turm darauf lediglich nach hinten kippen, ohne alle Großartigkeit und Wucht. Der Trick bei solchen Aufnahmen ist es, eine Scheinperspektive zu wahren, die Ihr subjektives Abbild noch mit der Wirklichkeitsvorstellung des Bildbetrachters verbindet: Trachtest Du danach, die Hauptlinien senkrecht bzw.waagrecht zu erhalten. Aufnahmetechnisch richte Dich bei derartigen Aufnahmen nach dem Licht und gebe eventuell bei Motiven mit viel Schatten eine Blende zu. Tonwertverfälschende Filterungen sind bei Schwarzweißaufnahmen durchaus angebracht, wenn diese durch Dramatisierung den subjektiven Eindruck steigern. Das bevorzugte Filter ist das Orangefilter, das den blauen Himmel sehr dunkel, Wolken und weiße Häuserfronten dagegen kalkig kommen läßt (z.B.: Brunnen, Denkmäler, Glas, Innenräume, Kirchen, Modellbau-Aufnahmen, Skulpturen, Stadtansichten und Türme.)

Technische Grundlagen

Aspekte der Perspektive

In der Architektur trifft man auf eine Vielzahl von Vertikalen und Horizontalen, auf Strukturelemente, Reflexionen oder ungewöhnliche Lichtverhältnisse. Vor allem die Linien ergeben gedachte „Fluchtpunkte“ in der Verlängerung, die es zu beherrschen gilt. Innerhalb der Komposition spielt daher die Perspektive eine zentrale Rolle.

Methoden zur realitätsnahen Wiedergabe der Proportionen

Prinzipiell sind, bei gegebener Ausrüstung, für eine realitätsnahe Wiedergabe der Proportionen ein drei Wege möglich:

  • eine erhöhe Kameraposition,
  • der richtige Abstand zum Objekt,
  • die Wahl einer leichten Seitenansicht.

Details ergeben sich nun aus den Perspektivregeln.

Perspektivregeln

Horizontale Perspektive

Für das Fotografieren von Architektur sind horizontale Perspektiven zu unterscheiden:

  1. Frontale Zentralsicht: Man sieht eine flächige Fassade (Horizontalen und Vertikalen), aber noch keine räumliche Tiefe (Diagonalen)
  2. Leichte Überecksicht („Kavaliersperspektive“): Man sieht die Fassade (Horizontalen und Vertikalen), und eine leichte räumliche Tiefe (Diagonalen)
  3. Stärkere Überecksicht: Man sieht nun weniger die Fassade (Horizontalen und Vertikalen), und eine starke räumliche Tiefe (Diagonalen).

Man muss sich also zwischen einem 2D- und einem 3D-Eindruck entscheiden. Letztlich auch zwischen einer plastischen und einer maßstabsgetreuen Darstellung.

Vertikale Perspektive

Das Gleiche gilt nun für die vertikale Kameraposition (vertikale Perspektiven), d. h. wie hoch man am Objekt ansetzt. Sofern es ein Hochhaus ist, wird es schwierig, eine maßstabsgetreue Abbildung zu finden. Diese findet man nur annähernd auf der Höhe der Gebäudemitte und dann auch nur mit dem nötigen Abstand. Daumenwert ist die Gebäudemitte. Man kann es von einem benachbarten Gebäude aus versuchen, mit einem leicht erhöhten Standpunkt oder mit Hochstativen. Heute wäre auch mit einer Drohnenkamera eine optimale vertikale Perspektive zu finden, allerdings ginge dies zu Lasten der erforderlichen Belichtungszeit.

Bandbreite der Perspektiven

Die Wahl von horizontaler und vertikaler Perspektive ergibt die endgültige Perspektive.

Die Sichtweise der Architekturfotografie ist traditionell von der Zeichnung abgeleitet. Die dabei angewandte Zentralperspektive geht dabei zumeist vom Standpunkt eines menschlichen Beobachters, der sich in der Umgebung des Bauwerkes bewegt oder einer erhöhten Position (Vogelperspektive) aus.

  • Zentrale Perspektive
  • Erhöhte Perspektive (auf Höhe der Mitte eines Gebäudes)
  • Vogelperspektive
  • Luftbild
  • Froschperspektive
  • Fischaugen-Objektiv (Fish-Eye)
  • Zweipunktperspektive

Der Abstand zum Objekt

Ein sehr großer Abstand zum Objekt verschafft eine große Übersicht; ein sehr kleiner Abstand zum Objekt führt zu Verzerrungen durch die seitliche Abweichung. Diese Verzerrungen, je weiter man sich nähert, errechnen sich wie folgt:

  • Bei 15° seitlicher Abweichung (Bildwinkel 30°) wird der Rand um 100 % verzerrt,
  • Bei 30° seitlicher Abweichung (Bildwinkel 60°) wird der Rand um 33,3 % verzerrt,
  • Bei 45° seitlicher Abweichung (Bildwinkel 90°) wird der Rand um 7,2 % verzerrt.

Generell ergibt sich aus der Größe des Objekts ein konkret zu bevorzugender Abstand und dieser errechnet sich als Daumenwerte wie folgt:

  • optimaler Haus-Anschau-Abstand (in m) = 1,5 × Breite des Objektes (m) (wenn das Gebäude breiter als hoch ist),
  • optimaler Haus-Anschau-Abstand (in m) = 1,5 × Höhe des Objektes (m) (wenn das Gebäude höher als breit ist).

In der Amateurfotografie werden diese Herausforderungen mit (Super-)Weitwinkel-Objektiven ausgeglichen, was allerdings durch die Verzerrungen immer zu Lasten der Realitätstreue geht. Professionelle Fotografen, die ihre Arbeiten verkaufen wollen, müssen mit einer Vielzahl von Strategie und Ausrüstung diesen Themen stellen um ein Höchstmaß an Realitäts- und Proportionstreue zu erzielen.

Perspektive und Technik

Die Umsetzung der Perspektive in die fotografische Abbildung stößt auf einige Phänomene, die unerwünscht sind:

  • Objektivfehler: Übliche Optiken weisen optische Fehler im Sinne kissen- und tonnenförmiger Verzeichnungen auf. Obwohl derartige Abbildungen durchaus reizvoll sein können (z. B. beim Fischaugenobjektiv), sind diese zumeist als billiger Effekt unerwünscht oder bei der photogrammetrischen Arbeit (zur Vermessung von Bauwerken) störend. Verzeichnungs„freie“ Objektive sind besonders im Weitwinkelbereich bei Spiegelreflexkameras schwer herzustellen, da diese, bedingt durch den Freiraum des Schwingspiegels, nicht symmetrisch aufgebaut, sondern retrofokussierend sind. Diese optischen Fehler können entweder beim analogen Vergrößerungsprozess durch eine exakte Berechnung der Optiken oder durch Mittel der elektronischen Bildbearbeitung korrigiert werden.
  • Stürzende Linien: Stürzende Linien sind ein normaler perspektivischer Effekt, der umso stärker ausfällt, je näher man sich zum Objekt befindet. Eine vertikale oder horizontale Gebäudekante soll parallel zur Bildfeldbegrenzung abgebildet werden. Wenn die Film-Ebene nicht parallel zu den vertikalen und/oder horizontalen Linien des Gebäudes liegt, werden diese „stürzen“ und/oder „flüchten“. Bei vertikalen Linien entsteht dadurch der Eindruck, dass das Bauwerk optisch „nach hinten kippt“ und so ein nicht realer Eindruck der Proportionen entsteht. Übliche Kleinbild- und Mittelformat-Kameras mit fixen Objektiven müssen zur Vermeidung dieser Effekte exakt horizontal gehalten werden. Dies schränkt die Gestaltungsmöglichkeiten ein. Abhilfe schaffen Hochstative und vor allem eine erhöhe Kameraposition, Faltenbalgkameras mit denen die Scheimpflugsche Regel zur Anwendung kommt, Shift-Objektive, die Verstellmöglichkeiten der Großformatkamera bzw. Fachkamera oder die Entzerrung mit der elektronischen Bildbearbeitung.
  • Detailierungsgrad: In vielen Fällen ist eine scharfe Abbildung des gesamten Objektes oder von Flächen, die nicht parallel zur Filmebene liegen, erforderlich. Wege dazu sind ausreichendes Abblenden und die Verstellmöglichkeiten von Tilt-Objektiven oder der Einsatz einer Großformat-, Mittelformat- oder Vollformat-SLR-Kamera mit Stativ.

Der Faktor Licht

Für gute Architekturfotos braucht man Zeit, um ein Bauwerk zu verschiedenen Tageszeiten, in unterschiedlichen Lichtsituationen zu studieren und eine optimale Situation zu finden. In Häuserschluchten treten oft extreme Hell-Dunkel-Kontraste auf, die die Dynamik mancher Kameras überfordern. Dies erfordert dann einen Kontrastausgleich. Häufig anzutreffende Mischlichtsituationen erfordern einen Weißabgleich. Im RAW-Modus fotografiert können in der Nachbearbeitung Tiefen und Lichter optimiert werden. Moderne Architektur nutzt Licht als Gestaltungsmittel raffiniert und effektvoll. Dies geschieht durch Glasfassaden, die Sonne und Himmel in allen Schattierungen reflektieren. Zudem sind viele Gebäude künstlich beleuchtet. Es ergeben sich drei höchst unterschiedliche Ansätze: Tageslichtaufnahme (morgens oder nachmittags), blauen Stunde und Nachtaufnahme.


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